Astronomieseiten von Dr. Rainer Haas



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Röntgenastronomie

Rainer Haas, Stadtwaldstr. 45a, 35037 Marburg



Allgemeines

Der Röntgenbereich schließt bei 10 nm an den EUV-Bereich (EUV: extremes Ultraviolett) an. Er geht bei Wellenlängen von 0,01 nm in den Gammabereich (Gammaastronomie) über. Die Röntgenstrahlung wurde 1895 von dem deutschen Physiker Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt.

Röntgenstrahlung (engl.: X-Ray) wird von der Erdatmosphäre in Höhen von 40-100 km vollständig absorbiert, erdgestützte astronomische Röntgenbeobachtungen sind nicht möglich.





Prozesse der Entstehung von Röntgenstrahlung

Röntgenstrahlung entsteht durch zwei Mechanismen:

1) Schnelle Elektronen, die mit Materieteilchen kollidieren und dabei abgebremst werden, erzeugen sog. Bremsstrahlung. Diese Bremsstrahlung zeigt ein kontinuierliches Spektrum, welches auf der kurzwelligen Seite durch die ursprüngliche kinetische Energie der Elektronen scharf begrenzt ist und auf der langwelligen Seite bis in den UV- und sichtbaren Bereich ausgedehnt ist.

2) Nach der Ionisation von Atomen (Herauslösen des Elektrons der 1s-Schale) fallen Elektronen aus energetisch höheren Niveaus in die innere freie Schale und emittieren dabei Röntgenstrahlung. Das Spektrum dieser sog. Eigenstrahlung der Atome zeigt scharfe, diskrete Liniengruppen, aus denen sich das Element des strahlenden Atoms bestimmen läßt. Mit steigender Ordnungszahl verschieben sich die Liniengruppen in den Bereich höherer Energie (kürzerer Wellenlängen).





Entwicklung der Röntgenastronomie

Die erste astronomische Röntgenbeobachtung wird am 3.5.1949 vom Naval Research Laboratory durchgeführt: mittels einer V2-Rakete wird Röntgenstrahlung von der Sonne detektiert.

Die erste abbildende Röntgenoptik wird von dem deutschen Physiker Hans Wolter konstruiert. Das nach seinem Prinzip entwickelte abbildende Röntgenteleskop, Wolter-Teleskop benannt, besteht aus mehreren ineinanderliegenden Schalen, in denen Röntgenstrahlen unter flachem Einfallswinkel an Metallspiegeln reflektiert und gebündelt werden.

Im Jahr 1962 entdeckt der Satellit ARIEL I, daß während des Auftretens von Sonneneruptionen (Flares) in der Sonnenkorona ein 10 Mill. K heißes Plasma erzeugt wird.

Bis 1979 werden fünf weitere ARIEL-Satelliten gestartet. ARIEL V entdeckt Linienstrahlung von hochionisiertem Eisen in Röntgenspektren.

In den Jahren 1962 bis 1975 werden acht OSO-Satelliten gestartet, die Beobachtungen im UV-, Röntgen- und Gammabereich durchführen.

1962 wird die erste Röntgenquelle außerhalb des Sonnensystems, das 350 pc entfernte Objekt Scorpius X-1, entdeckt. 1966 gelingt die optische Identifizierung dieses Objektes: es handelt sich um einen Röntgen-Doppelstern, der Begleitstern ist ein Neutronenstern, der sich durch starke Strahlungsausbrüche im sichtbaren Bereich und intensive UV-Strahlung bemerkbar macht. Die Röntgen-, UV- und Vis-Strahlung entsteht, wenn vom Hauptstern abgezogenes Material, welches sich zunächst in einer sog. Akkretionsscheibe um den Begleiter sammelt, auf diesen stürzt.

Auch das 1966 entdeckte, ca. 33.000 Lichtjahre entfernte Objekt Cygnus X-3 ist ein Röntgendoppelstern, der außer im Röntgenbereich auch Energie im Gamma-, Infrarot- und Radiobereich aussendet.

Bis 1970 werden ca. 50 kosmische Röntgenquellen entdeckt. Der 1970 gestartete Röntgensatellit UHURU entdeckt ca. 400 neue Röntgenquellen und führt die erste vollständige Himmelsdurchmusterung im Röntgenbereich durch. Er entdeckt mehrere pulsierende Röntgendoppelsterne sowie Röntgenstrahlung aus Galaxienhaufen. Aus seinen Meßdaten wird 1971 der Begleitstern von Cygnus X-1 als Schwarzes Loch identifiziert.

1977 wird von der Sonde HEAO-1 eine Röntgen-Durchmusterung des gesamten Himmels durchgeführt. HEAO-1 entdeckt ca. 840 neue Röntgenquellen.

Das am 3.11.1978 gestartete Einstein-Observatorium, auch High Energy Astronomy Observatory HEAO-2 benannt, untersucht im Verlauf von 2,5 Jahren mit einem hochauflösenden Wolterteleskop und weiteren Detektoren die bis dahin bekannten Röntgenquellen und entdeckt 4.600 neue Röntgenquellen im Energiebereich zwischen 0,1 und 4 keV. HEAO-2 entdeckt, daß praktisch alle Sterne im Röntgenbereich Strahlung emittieren.

Am 26.5.1983 wird der Röntgensatellit EXOSAT gestartet. Mit zwei 28 cm-Wolterteleskopen sowie mehreren nichtabbildenden Detektoren untersucht er bis 1986 im Energiebereich von 0,05 keV bis 50 keV Röntgen-Doppelsterne, Sternkoronen, Oszillationen von Röntgenquellen sowie aktive Galaxien und Quasare.



-- exosat4.gif: Röntgendurchmusterung der Milchstraße durch EXOSAT



Bis 1990 sind ca. 6.000 kosmische Röntgenquellen bekannt.

1990 wird der bisher erfolgreichste Röntgensatellit ROSAT gestartet. Er ist 1997 noch im Einsatz. Mit einem hochauflösenden 83 cm-Wolterteleskop (Auflösung von 2") wird eine vollständige Himmelsdurchmusterung im Energiebereich von 0,1 keV bis 2,4 keV (0,6 nm bis 12 nm) durchgeführt. Bis Juni 1994 entdeckt ROSAT ca. 120.000 neue Röntgenquellen. 1996 wird erstmals von ROSAT Röntgenstrahlung des Kometen C/1996 B2 Hyakutake entdeckt.

Ab August 1998 soll der Röntgensatellit AXAF mit einem 1,2 m-Wolterteleskop den Röntgenhimmel im Energiebereich von 0,1 keV bis 10 keV mit noch höherer Auflösung und Empfindlichkeit untersuchen.



-- one-qu 1.gif: Himmelsdurchmusterungskarte bei 0,25 keV; ROSAT

-- three- 1.gif: Himmelsdurchmusterungskarte bei 0,75 keV; ROSAT



Beobachtungsobjekte im Röntgenbereich

Röntgenstrahlung von Vorhauptreihensternen und Hauptreihensternen

Die Röntgenleuchtkraft von Vorhauptreihensternen ist aufgrund ihrer schnelleren Rotation und der dadurch bedingten höheren Aktivität in der Korona ca. 100 bis 1000fach stärker als die von Hauptreihensternen. Die Röntgenstrahlung entsteht in der Korona, einer extrem heißen Schicht in der äußeren Sternatmosphäre. Weiße Zwerge besitzen ebenfalls hohe Photosphärentemperaturen und strahlen im Röntgenbereich wesentlich intensiver als im optischen Bereich.

Die Abbildung zeigt den jungen offenen Sternhaufen NGC 1333 im optischen Spektralbereich. Die von ROSAT entdeckten Röntgenquellen (Vorhauptreihensterne) sind mit nummerierten Quadraten markiert.



-- roe01.jpg: NGC 1333 (optisch) mit Röntgenquellen (ROSAT); aus: Preibisch (1997)



Neutronensterne und Supernovaüberreste

Einzelstehende Neutronensterne, die eine hohe Rotationsgeschwindigkeit und ein starkes Magnetfeld besitzen, emittieren nichtthermische Röntgenstrahlung (z.B. der Crab-Pulsar). Diese Röntgenemission entsteht aufgrund von Synchrotronstrahlung relativistischer, d.h. sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegender, Elektronen.

Außerdem wird von Neutronensternen aufgrund der hohen Oberflächentemperaturen thermische Röntgenstrahlung emittiert. Aus der Energie der emittierten thermischen Röntgenstrahlung kann die Oberflächentemperatur und damit der Durchmesser des Neutronensterns bestimmt werden.



-- exosat07.gif: Supernovareste Cas A, Tycho und Puppis A im Röntgenlicht; EXOSAT

-- puppis_a.gif: Supernovarest Puppis A mit zentralem Neutronenstern im Röntgenlicht; ROSAT



Röntgendoppelsterne (Röntgenburster)

Röntgendoppelsterne sind enge Doppelsterne, die aus einem Neutronenstern (Masse: 1,4 Sonnenmassen) und einem massearmen Begleitstern (0,5 bis 1 Sonnenmasse) bestehen. Durch die starke Gravitationswirkung des Neutronensterns wird Materie vom Begleitstern abgezogen, die sich zunächst in einer Scheibe um den Neutronenstern, der sog. Akkretionsscheibe, mit einem Durchmesser von ca. 1-2 Millionen km sammelt. Stürzt die Scheibenmaterie auf den Neutronenstern, wird Röntgenstrahlung emittiert. Ein Teil dieser Röntgenstrahlung wird von der Akkretionsscheibe absorbiert und einige Sekunden später als Strahlung im optischen Spektralbereich emittiert. Die Burst erfolgen in Abständen von Sekunden bis Tagen und können sowohl im optischen Spektralbereich als auch im Röntgenbereich beobachtet werden.



-- rosat21.gif: Burst des Crab-Pulsars im Röntgenlicht; ROSAT

-- crabc.jpg: Crab-Nebel im optischen Spektralbereich; HST

-- diskil1.jpg: Enges Doppelsternsystem mit Akkretionsscheibe um Neutronenstern



Normale und aktive Galaxien

Durch die Beobachtung naher Galaxien wie der Magellanschen Wolken oder des Andromedanebels (M 31) wird ein Überblick über die Verteilung der Röntgendoppelsterne und Supernovaüberreste gewonnen.

Aktive Galaxien besitzen sog. "Jets", d.h. Materieströme, die aus dem Gebiet der Galaxie ausgestoßen werden. Dies wird auf eine starke Aktivität der Galaxienkerne zurückgeführt. Zur Gruppe der aktiven Galaxien (AGN) gehören sog. Radiogalaxien, BL-Lac-Objekte, Seyfert-Galaxien und Quasare. Alle diese Galaxien zeichnen sich durch erhöhte Röntgen- und Gammaaktivität aus. Beispielhaft sind die normale Galaxie M 31 (Andromedanebel) sowie die aktive Galaxie Centaurus A im Röntgenlicht dargestellt.



-- rosat07.gif: M 31 im Röntgenlicht von 0,7-1,6 keV; ROSAT

-- calend1.gif: aktive Galaxie Centaurus A im Röntgenlicht; ROSAT

-- cena_jet.gif: Jet der aktiven Galaxie Centaurus A im Röntgenlicht; EXOSAT



Galaxienhaufen

Galaxienhaufen sind die leuchtkräftigsten Objekte am Röntgenhimmel. Ihre Röntgenleuchtkräfte liegen zwischen 1043 und 1045 erg/s. Dies entspricht etwa der Leuchtkraft einer normalen Galaxie in allen Wellenlängenbereichen zusammengenommen. Die Ursache der Röntgenstrahlung beruht auf thermischer Bremsstrahlung, die entsteht, wenn Elektronen an ionisierten Atomen vorbeifliegen und dadurch beschleunigt werden.



-- coma.jpg: Coma-Galaxienhaufen im Röntgenlicht von 0,5-2 keV; ROSAT



Diffuse Röntgenstrahlung der Milchstraße

Die diffuse Röntgenstrahlung stammt aus alten Supernovaüberresten und besitzt eine Temperatur von > 106 K. Dieses heiße Gas ist gravitativ nicht an die Milchstraße gebunden und entweicht auch außerhalb der Ebene der Milchstraße.

Durch Beobachtungen der Röntgenstrahlung von edge-on-Galaxien, d.h. von Spiralgalaxien, die wir von der Erde aus von der Seite sehen, kann diese Komponente der Röntgenstrahlung besonders gut untersucht werden.

Es existiert eine ausgedehnte Röntgen-Hintergrundstrahlung, die aus nicht aufgelösten Einzelquellen sowie aus einer diffusen Komponente aus dem intergalaktischen Medium, der Bremsstrahlung des dort vorhandenen heißen Gases, besteht.





Röntgenspektroskopie

Nach dem Herauslösen eines Elektrons aus der K-Schale nimmt ein Außenelektron seinen Platz ein. Die dabei freigesetzte Energie liegt im Röntgenbereich. Mit Röntgenspektroskopie kann die Linienstrahlung verschiedener Elemente sowie ihr Ionisierungsgrad untersucht werden.

Die Abbildung zeigt ein von EXOSAT gewonnenes Röntgenspektrum des Stern Capella. Verschiedene Linien der Elemente Sauerstoff, Schwefel, Eisen und Nickel können zugeordnet werden.



-- exosat45.gif: Röntgenspektrum des Sterns Capella; EXOSAT



Quellen:

National Space Science Data Center (1997): NSSDC Master Catalog Spacecraft

http://nssdc.gsfc.nasa.gov/cgi-bin/database

High energy astrophysics missions (HEASARC) (1997): http://legacy.gsfc.nasa.gov./docs/heasarc/missions

T. Preibisch (1997): Röntgenstrahlung von Protosternen. Sterne und Weltraum 5/97, 434-435

F.R. Paturi (1996): Harenberg Schlüsseldaten Astronomie. Harenberg-Verlag, Dortmund

J. Trümperer (1990): ROSAT. Sterne und Weltraum 4/90, 222-228

N. Henbest, M. Marten: Die neue Astronomie (1984). Birkhäuser-Verlag, Basel, Bonn, Stuttgart



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Dies ist eine Leseprobe. Dieser Beitrag (mit Bildern) erscheint in der Enzyclopädie für Naturwissenschaft und Technik.



Herausgeber der Enzyclopädie für Naturwissenschaft und Technik (EN&T) ist der ecomed-Verlag, Rudolf-Diesel-Str. 3, D-8689 Landsberg (http://www.ecomed.de/journals.htm)





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