Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung
Dr. Rainer Haas
Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg, Tel.: 06421/93084, Fax: 06421/93073
email: haasr@gmx.net
Photolytischer Abbau von Explosivstoffen in ausgewählten Wasserproben
1: Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung, Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg
2: Aqua Butzke, Ritterstr. 21-27, D-10969 Berlin
1 Einleitung
Um explosivstoff- und explosivstoffmetaboliten-belastetes Wasser ohne Rückstände (im Gegensatz zu adsorptiven Reinigungstechniken) und zeiteffizient (im Vergleich zu biologischen Verfahren), witterungs-, fracht- und inventarunabhängig zu dekontaminieren, wurde in Labor- und Technikumsversuchen getestet, inwieweit die "Photoinitiierte UV-Reinigung (PUVâ)" geeignet ist, diesen Ansprüchen zu genügen.
Mit dieser Zielstellung wurden entsprechende Versuche zum photolytischen Abbau von mit Nitroaromaten, Nitroaminaromaten, aromatischen Aminen, Cyclo-1,3,5-trimethylen-2,4,6-trinitramin (Hexogen) sowie Cyclo-1,3,5,7-tetramethylen-2,4,6,8-tetranitramin (Octogen) in kontaminierten Originalwässern von folgenden Standorten durchgeführt:
(I) ehemalige TNT-Fabrik Stadtallendorf
(Drainagewasser der sogenannten "Tri-Halde")
(II) ehemalige TNT-Fabrik Elsnig-Vogelsang
(Drainagewasser der Brandplatzhalde)
(III) ehemalige Hexogen-Fabrik Bobingen
(stehendes Wasser in einem Kanalisationsschacht)
Die für die PUVâ-Abbauversuche im Originalzustand eingesetzten Wässer waren im mg/l-Bereich mit Explosivstoffen bzw. deren Metaboliten kontaminiert. Als Reinigungs- und Abbauziel wurde die totale Mineralisierung der Kontaminanten (Endprodukte der Abbaukaskade: CO2, H2O, N2) angestrebt. Hierfür wurden die entsprechenden Wasserproben einer UV-Behandlung mit Hg-Nieder- bzw. -Mitteldruckstrahler unter Variation der Reaktionsbedingungen unterzogen. Die Abbauversuche wurden analytisch begleitet. Neben Summenparametern standen quantitative Bestimmungen von Nitroaromaten, Aminen sowie Nitraminen im Vordergrund.
Nachfolgend werden die Ergebnisse im Labormaßstab optimierter Abbauversuche mit >>98%iger Schadstoff-Eliminierung mitgeteilt.
2 Experimentelles
2.1 Photoinitiierter Schadstoffabbau
Photoreaktoren
Die Abbau-Untersuchungen wurden in geschlossenen Batch-Reaktoren (ca. 800 ml Fassungsvermögen) bei Raumtemperatur unter ständigem Rühren durchgeführt. Als UV-Strahlungsquellen gelangten zum Einsatz:
150-W-Mitteldruck-Hg-Strahler,
80-W-Niederdruck-Hg-Strahler.
Reaktionsführung
Die Verweildauer der Wasserproben im Strahlungsfeld der Batch-Reaktoren betrug allgemein 30, in Ausnahmefällen bis zu 120 Minuten.
Die Zudosierung von erfolgte entweder als Gesamtmenge zu Beginn der Reaktion oder portionsweise über die Versuchsdauer verteilt.
In Abständen von ca. 10 Minuten wurden während der Bestrahlung Proben für die versuchsbegleitende CSB-Analytik sowie für spektroskopische Untersuchungen die Bestimmung von Rest-H2O2 und weiterer Parameter entnommen.
Die entsprechend der erzielten Endwerte für den CSB und ihrer spektroskopischen Parameter optimal dekontaminierten Proben wurde anschließend der Einzelstoff-Analyse zugeführt.
2.2 Chemisch-analytische Untersuchungen
Allgemeine Charakterisierung
Die Wässer wurden vor, während und nach der UV-Behandlung charakterisiert mittels pH-Wert, Leitfähigkeit, UV-Vis-Spektrum und CSB-Wert.
Einzelstoffanalytik
Zur gaschromatographischen Untersuchung auf Nitroaromaten (TNT, Dinitrotoluole, Aminodinitrotoluole) wurden 100-ml-Proben vier Stunden mit 2 ml Toluen (p. a.) unter Schütteln extrahiert.
Zur HPLC-Untersuchung auf Nitroaromaten sowie Hexogen und Octogen wurden 100-ml-Proben bis zur Trockene eingedampft und der Rückstand mit 5 ml Methanol (p. a.) eluiert.
Zur Untersuchung auf aromatische Amine wurden 100-ml-Proben bis zur Trockene eingedampft und der Rückstand mit 1 ml konz. Salzsäure und 4 ml dest. Wasser aufgenommen.
Die gaschromatographischen Untersuchungen wurden mit einer SE-54-Kapillarsäule (Länge: 30 m) durchgeführt. Der Nachweis und die Quantifizierung erfolgten mittels Elektroneneinfang-Detektor (ECD).
Für die HPLC-Untersuchungen von Nitroaromaten und Nitraminen (Hexogen, Octogen) wurde eine RP-18-Säule (Länge: 25 cm) eingesetzt. Als Eluat wurde Methanol/ Wasser 50/50 gewählt. Nachweis und Quantifizierung erfolgten mit einem Diodenarray-Detektor.
Aromatische Amine wurden photometrisch nach der Azokupplungsmethode mit NEDA bestimmt. Als Referenzsubstanz diente p-Nitranilin.
3 Ergebnisse
Im Ergebnis der UV-Behandlung der Wässer I, II, und III wurde übereinstimmend nachgewiesen:
- Die ursprüngliche Extinktion der (mehr oder minder stark gelbgefärbten) Wässer im Ausgangszustand nimmt infolge UV-Einstrahlung in Gegenwart von Wasserstoffperoxid im Wellenlängenbereich l = (345...800) nm stark ab. Die behandelten Wasserproben sind visuell farblos.
- Der pH-Wert sowie der Wert für die spezifische elektrische Leitfähigkeit ändern sich nur geringfügig. Der pH-Wert wird im Bereich (6,5...7,5) um ca. (0,5...1,0) Einheiten gesenkt; die registrierten Änderungen der Leitfähigkeitswerte liegen praktisch im Rahmen des apparativ bedingten Meßfehlers.
- Der Summenparameter CSB sinkt um (75...96) %.
- Ein Rest-H2O2-Gehalt in den UV-behandelten Proben von (3...100) mg H2O2/l signalisiert, daß die den Rest-CSB verursachenden Stoffe unter den gewählten photooxidativen Bedingungen nur sehr schwer bzw. gar nicht abbaubar sind.
- Sowohl im gaschromatographischen fingerprint als auch in den HPLC-Chromatogrammen der unbehandelten Originalproben wurden neben den für die jeweiligen Explosivstoffe bzw. deren Metaboliten typische Signale weitere, bislang nicht zuordenbare Signale detektiert. Diese entsprechenden Peaks wurden nach UV-Behandlung nicht mehr nachgewiesen.
Die Gehalte an Explosivstoffen bzw. deren Metaboliten sowie an summarisch bestimmten aromatischen Aminen konnten im Ergebnis optimierter Bedingungen durch die photoinitiierte Naßoxidation überwiegend um mehr als 99,9 % rückstandsfrei abgebaut werden. Die Ergebnisse sind für die einzelnen Wässer exemplarisch in den nachfolgenden Übersichten zusammengefaßt.
Die verwendeten Abkürzungen in den Übersichten bedeuten:
n.n. |
nicht nachweisbar |
n.b. |
nicht bestimmt |
TNT |
Trinitrotoluen |
TNB |
Trinitrobenzen |
2,4-; 2,6-; 3,4-DNT |
jeweil. Dinitrotoluen |
2-A-4,6- bzw. 4-A-2,6-DNT |
jeweil. Amino-dinitrotoluen |
SAN |
Summe aromatischer Nitroverbindungen |
SAA |
Summe aromatischer Amine |
Die analytischen Nachweisgrenzen in mg/l liegen bei:
TNT |
0,01 |
TNB |
0,02 |
DNT |
0,01 |
ADNT |
0,02 |
SAA |
0,1 |
Hexogen |
0,1 |
Oktogen |
0,1 |
Herkunft des Wassers: ehemalige TNT-Fabrik Stadtallendorf (Tri-Halde) (I)
|
unbehandeltes Originalwasser |
UV-Behandlung: ND-Strahler H2O2-Zusatz: 300 mg/l Bestrahlungsdauer: 30 min |
UV-Behandlung: MD-Strahler H2O2-Zusatz: 300 mg/l Bestrahlungsdauer: 30 min |
pH-Wert elektr. Leitfähigkeit [mS/cm] CSB [mg/l] |
7,2 690 120 |
6,6 700 19 |
6,8 700 18 |
Extinktion bei l [nm] 345 nm 385 nm 435 nm 470 nm 520 nm |
0,358 0,264 0,145 0,088 0,044 |
0,060 0,051 0,037 0,031 0,023 |
0,039 0,032 0,024 0,021 0,015 |
Gehalt [mg/l] (% Abreicherung) TNT TNB 2,4-DNT 2,6-DNT 3,4-DNT 2-A-4,6-DNT 4-A-2,6-DNT SNA SAA |
190 <1 513 1460 6,0 27,2 63,4 2260 590 |
1,80 (99,1) 4,5 n.n. (>99,9) 0,07 (99,9) n.n. (>99,9) n.n. (>99,9) 0,03 (>99,9) 4,6 (>99,8) n.n. (>99,9) |
3,10 (98,4) 14,8 n.n. (>99,9) 0,12 (99,9) n.n. (>99,9) 0,01 (>99,9) 0,03 (>99,9) 14,9 (>99,3) n.n. (>99,9) |
|
|
|
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Herkunft des Wassers: ehemalige TNT-Fabrik Elsnig-Vogelsang
(Drainagewasser der Brandplatzhalde) (II)
|
unbehandeltes Originalwasser |
UV-Behandlung: ND-Strahler H2O2-Zusatz: 300 mg/l Bestrahlungsdauer: 30 min |
UV-Behandlung: MD-Strahler H2O2-Zusatz: 300 mg/l Bestrahlungsdauer: 30 min |
pH-Wert elektr. Leitfähigkeit [mS/cm] CSB [mg/l] |
6,8 600 12 |
6,6 590 4 |
6,7 590 4 |
Extinktion bei l [nm] 345 nm 385 nm 435 nm 470 nm 520 nm |
0,058 0,042 0,027 0,015 0,008 |
0,001 0,001 0,000 0,000 0,000 |
0,002 0,001 0,000 0,000 0,000 |
Gehalt [mg/l] (% Abreicherung) TNT TNB 2,4-DNT 2,6-DNT 3,4-DNT 2-A-4,6-DNT 4-A-2,6-DNT SNA SAA |
630 < 6 61,6 620 17,6 86 175 1590 65 |
n.n (>99,9) 8,7 n.n. (>99,9) 0,03 (99,8) n.n. (>99,9) n.n. (>99,9) n.n. (>99,9) 8,7 (>99,5) n.n. (>99,9) |
n.n. (>99,9) 6,0 n.n. (>99,9) 0,02 (99,8) n.n. (>99,9) n.n. (>99,9) n.n. (>99,9) 6,0 (>99,6) n.n. (>99,9) |
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Herkunft des Wassers: ehemalige Hexogen-Fabrik Bobingen (III)
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unbehandeltes Originalwasser |
UV-Behandlung: MD-Strahler H2O2-Zusatz: 300 mg/l Bestrahlungsdauer: 30 min |
pH-Wert elektr. Leitfähigkeit [mS/cm] CSB [mg/l] |
7,6 410 52 |
6,8 450 18 |
Extinktion bei l [nm] 345 nm 385 nm 435 nm 470 nm 520 nm |
0,131 0,084 0,033 0,021 0,013 |
0,007 0,007 0,006 0,004 0,004 |
Gehalt [mg/l] (% Abreicherung) Hexogen Octogen
|
13.100 1.160 |
n.n. (>99,9) n.n. (>99,9) |
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4 Diskussion der Ergebnisse
An den hinsichtlich Schadstoff-Inventar und -Konzentration repräsentativ ausgewählten Typen mit Explosivstoffen bzw. deren Metaboliten kontaminierter Wässer konnte der Nachweis erbracht werden, daß deren grenzwertunterschreitende Reinigung auf photooxydativem Wege möglich ist.
Der photoinitiierte oxydative Totalabbau (vollständige Mineralisierung) von Tri- sowie den isomeren Dinitrotoluenen, Amino-dinitrotoluenen und cyclischen Nitraminen um >99,9 % unter Ausschluß der Bildung detektierbarer stabiler Zwischen- oder Endprodukte (mit Ausnahme von Trinitrobenzen, s. u.), erzielt mit Sandardausrüstung und unter Standardbedinungen der UV-Reinigung von Wasser spricht für die prinzipielle Anwendbarkeit dieses Reinigungsverfahrens in der Sanierungspraxis.
Da diese Ergebnisse sowohl mit Niederdruck- wie auch leistungsstärkeren Mitteldruckstrahlern erzielbar sind, eröffnen sich Variationsmöglichkeiten der energetischen Optimierung, die insbesondere dann gefragt sind, wenn in der Praxis zur Sanierung anstehende Wässer mit weiteren Begleitstoffen neben den Explosivstoffen kontaminiert sind, deren Abreicherung erfahrungsgemäß mit der von Niederdruckstrahlern emittierten Strahlung von 254 nm Wellenlänge allein nicht realisierbar ist. Detaillierte Untersuchungen dieser Zusammenhänge und, damit verbunden, die Ableitung praktikabler Verallgemeinerungen bezüglich der Wahl der Strahlungsquelle für die PUV-Dekontamination eines bestimmten Schadstoff-Inventars mit dem Ziel der Prozeßoptimierung sind derzeit in Arbeit.
Eingebunden in diese experimentellen Studien ist die Frage nach der Bildung des Trinitrobenzens infolge Decarboxylierung der intermediär aus Trinitrotoluol gebildeten Trinitrobenzoesäure (vgl. Wässer I und II) sowie die Erkundung von Reaktionsbedingungen für dessen photoinitiierten Totalabbau (vorerst wird diese geringfügige Menge TNB in einem nachgeschalteten Aktivkohle-"Polizeifilter" adsorbiert, um die Werte für eine Direkteinleitung zu gewährleisten).
5 Zusammenfassung
Wesentlicher Vorzug der Dekontamination von explosivstoffbelasteten Wässern mittels photoinitiierter UV-Oxydation ist die Rückstandsfreiheit des Verfahrens. Bei vergleichbaren, im Prozeß weiterer Optimierung noch zu reduzierender Kosten im Vergleich zu adsorptiv wirkenden Techniken wie z. B. der Wasserreinigung mittels Aktiv-Kohle und der resultierenden Entsorgungsprobleme weist dieses Verfahren weitere Vorzüge auf wie:
- geringer Platzbedarf für die Aufstellung und den Betrieb einer Anlage, Realisierbarkeit hoher Stoffströme (bis zu 100 m³/h und mehr) im kontinuierlichen Prozeß,
- Gewährleistung hoher Betriebssicherheit bei weitgehend automatisiertem Anlagenbetrieb,
- kombinierbar mit beliebigen anderen Techniken der Wasserreinigung im Bedarfsfalle und zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.
Für den praktischen Einsatz in der Altlastensanierung von explosivstoff- bzw.
metaboliten-belastetem Grund-, Sicker-, Prozeß- und Waschwasser sind geeignete Anlagen
der PUV-Reinigung sowie entsprechend angepaßte Anlagen-Kombinationen verfügbar
und kurzfristig einsatzbereit.
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